Interview: Michael Patrick Kelly

Normalerweise treffen wir Sozialarbeiter*innen, Ehrenamtliche, Lehrer*innen, die in Gefängnissen unterrichten oder andere Visionär*innen aus dem Sozialbereich zum Gespräch. Vergangenes Jahr haben wir jedoch in Kooperation mit der Social City Wien einen Weltstar vors Mikrofon gebeten: Michael Patrick Kelly. Dass Michael Patrick Kelly erfolgreicher Musiker ist, müssen wir wohl niemandem sagen. Dass er sich jedoch seit Jahren für den Frieden und soziale Projekte einsetzt, wissen vermutlich nicht alle. Da haben wir natürlich unsere Ohren gespitzt und haben  über sein Engagement gesprochen und wie er Wege aufzeigt, wie man in seinem eigenen Lebensbereich sozial tätig sein kann.

Schon nach wenigen Minuten des Interviews ist es uns klar: Vor uns sitzt ein Mann, der viel zu sagen hat. Kein Satz von Michael Patrick Kelly wirkt unbedacht. Bodenständig, selbstreflektiert und bescheiden spricht er über die Anfänge seines Aktivismus und darüber, was jeder tun kann, um die Welt ein wenig friedlicher zu machen. Doch wie kommen wir von social attitude zu einem Interview mit dem bekannten Musiker im Wiener Rathaus, mögen sich unsere Leser*innen nun fragen? Der Anlass für das Gespräch war die Friedensgala 2019 der Social City Wien. Beim gemeinsamen Abend im feierlichen Rahmen wurde mit Künstler*innen, Schulklassen, Personen aus der Privatwirtschaft und Aktivist*innen ein Zeichen für ein friedliches Zusammenleben gesetzt. Mit dabei auch Michael Patrick Kelly mit seinem Projekt PeaceBell, bei dem er aus Waffen Glocken gießen lässt. Vergangenes Jahr wurde die Idee der PeaceBell für Wien angekündigt, dieses Jahr wurde sie bereits erfolgreich finanziert und soll im kommenden Jahr in der Brigittenau ein Zeichen im öffentlichen Raum für friedliches Zusammenleben sein. Doch was motiviert einen Musiker dazu, sich für den Frieden einzusetzen? Wir hatten viele Fragen und Michael Patrick Kelly hatte die Antworten.

Wie ist es zu deinem Einsatz für den Frieden gekommen?

2003 griffen die USA den Irak an. Ich hatte ein Problem damit, dass sie das ohne die Zustimmung der Mehrheit im Weltsicherheitsrat oder den Vereinten Nationen taten. Ich bin nach New York geflogen und hab an einer Friedensdemo teilgenommen, bei der auch eine Friedensnobelpreisträgerin war. Da wurde ich mit ihr und anderen verhaftet. Unser Statement war zu sagen: Schaut her – wir kleinen Bürger protestieren und werden wegen eines Akts des zivilen Ungehorsams verhaftet und bestraft, aber der Präsident der Vereinigten Staaten bricht auch ein Gesetz, bleibt ungestraft und darf seinen Krieg führen. Gilt hier die Macht des Rechts oder gilt die Macht der Macht? Das war es, was wir ins Licht setzen wollten. Ich habe mir im Nachhinein gedacht: Was hat es gebracht, dass ein Popsänger verhaftet wurde, außer dass die Medien berichtet haben? Ich wusste nicht, ob es nicht nur ein Tropfen auf dem heißen Stein war. Dann hat mir einige Monate später ein Journalist aus dem Irak erzählt, dass es bei einem großen Hotel in Bagdad, in dem alle Journalisten waren, einen Zaun gab, an dem Plakate und diverse Messages hingen, damit die Presse auf bestimmte Themen aufmerksam wird. Da haben sie ein großes Plakat von mir bei der Verhaftung aufgehängt. Im Sinne von: Wenn ihr so mit euren Celebrities umgeht, dann wollen wir eure Demokratie nicht haben. Das fand ich total beeindruckend, dass es diese kleine Sache, die ich in New York gemacht habe, nach Bagdad geschafft hat. Dann haben wenigstens ein paar Iraker das gut gefunden – so habe ich als amerikanischer Staatsbürger meine Solidarität mit diesen Menschen ausgedrückt.

Das war der Anfang meines Friedensengagements und ich habe schon verschiedene Projekte gemacht. Aktuell gefällt mir die Stimmung in unserer Gesellschaft nicht sehr. Ich habe das Gefühl, dass es echt knallen könnte. Das ist beunruhigend und als Musiker hat man den Vorteil, dass man Menschen verbinden kann. In der Musik kann man Menschen aus verschiedensten Richtungen zusammenbringen und ihnen ein Erlebnis schenken, bei dem sie gemeinsam koexistieren und fröhlich sind und zusammen feiern – das gibt es ganz selten in der Gesellschaft. Es muss auch Künstler geben, die alle für den Frieden zusammenbringen können. Man sagt ja „Frieden schließt man mit dem Feind, nicht mit dem Freund.“ Bei manchen Konzerten kann es ein, dass es extreme Linke und extreme Rechte und alles dazwischen gibt – ich glaube, dass eine positive Erfahrung eher hilft, die Gesellschaft miteinander statt gegeneinander zu gestalten.

Ich bin kein Vorbild in diesen Dingen, es gibt Menschen – über die du schreibst – die ehrenamtlich alle ihre Stunden für andere einsetzen, ohne dass sie ein Interview führen, ohne dass es in den Medien kommt. Ich versuche mit ein bisschen Zeit und ein bisschen Engagement neben meinem Hauptberuf und Privatleben, das eine oder andere Gute zu tun. Ich weiß aber auch von Kollegen und Kolleginnen, die sehr wohlhabend sind, die sehr viel für tolle Projekte spenden, ohne je ein Wort darüber zu erzählen – das sind für mich Menschen, zu denen ich hochschaue. Die Lösungen sind da, es ist eine Frage des Willens, sie umzusetzen, deswegen ist meiner Meinung nach die Herzensbildung die beste Bildung.

Du sagst, die Lösungen sind bereits da, werden aber nicht umgesetzt – wie schaffst du es da, bei deinem Engagement nicht frustriert zu sein?

Ich glaube, es ist mein Glaube und meine Hoffnung an Gott und die Menschheit. Ich denke, es gibt in uns Menschen das Potenzial zum Guten, man muss es nur „wachküssen“, um ein Märchenbild zu nutzen. Ich trete in Gefängnissen auf und manchmal entstehen nach Auftritten Gespräche. Letztens war ich in einem Gefängnis und ein junger Mann, der war 22 Jahre alt, hat mich gefragt, ob ich ihm einen Rat geben könnte, wie er auf einen guten Pfad kommt. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass er seine eigene Mutter umgebracht hat. Ich wusste das nicht, aber er fragte mich, wie er auf einen guten Pfad kommen kann. Ich glaube, Musik ist manchmal Salbung für die Seele, und dann wird man weich und die Härte, die Verbitterung und der Hass halten kurz die Klappe – dann kann das Menschliche in einem wach werden. Es ist unglaublich, was Musik manchmal bewirken kann. Ich glaube, dass jeder Mensch irgendwo noch so ein Potenzial in sich hat. Es sind sicher ganz wenige, die es schaffen, dieses Potenzial rauszubringen, es braucht ganz viel Hilfe, aber es lohnt sich. Das ist es, was mich vor dem Verzweifeln über diese Welt bewahrt.

 

 

Fühlst du eine Verpflichtung, auf soziale Themen aufmerksam zu machen, gerade weil du eine große Reichweite hast?

Ich glaube nicht, dass man, wenn man in der Öffentlichkeit steht, zwingend der große Message-Verkünder sein muss. Warum bist du in der Öffentlichkeit? Weil du Musiker bist, nicht weil du Politiker oder eine Art Prediger bist. Die Leute mögen deine Musik, jetzt kannst du auf sie auch einen Einfluss haben, aber man muss die Freiheit der Menschen respektieren. Ich finde es anstrengend, wenn Musiker mich mit zu viel Message ‚be-ballern‘. Sollen sie die Message in die Kunst verpacken, dass es mich von allein hinbringt. Das muss jeder Musiker für sich selbst entscheiden.  Ich glaube nicht, dass man sagen kann, dass jeder, der in der Öffentlichkeit steht, verpflichtet ist, über seinen Fachbereich hinaus seine Meinung zu sagen. Es ist ja am Ende des Tages nur eine Meinung und keine Fachkenntnis. In meinen Songs gibt es sehr viele Hinweise auf Gedanken, die in eine positive Richtung gehen. Ich versuche aber nicht, Menschen zu missionieren oder davon zu überzeugen, dass ich die Lösungen weiß. Unsere Realität ist sehr komplex und ich glaube nicht, dass man in Schwarz-Weiß die ganze Wahrheit sagen kann. Ich mache Angebote, aber ich drücke nichts auf, das ist auch attraktiver und langfristig effektiver.

Wie, denkst du, kann jeder seinen Beitrag zu einem besseren und friedlichen Zusammenleben leisten?

Mutter Theresa wurde mal gefragt „Kann man die Welt verändern?“, und sie soll geantwortet haben „Ja“. Dann hat der Journalist gefragt: „Und wo fangen wir an?“  Und sie hat gesagt: „Bei dir und bei mir“. Ich glaube, wenn wir mit uns selbst im Reinen sind, dann werden wir diese Reinheit auch ausstrahlen und wenn wir in einem Konflikt oder in einer Unruhe sind, dann vergreifen wir uns im Ton oder verletzen jemanden mit bösen Blicken. Ich glaube, Frieden fängt bei einem selber an, und wenn du ein friedlicher Mensch bist, ist das ansteckend. Ich glaube, es ist gut, große Träume zu haben wie Martin Luther King „I have a dream“, aber es gibt auch sehr viel Homework bei einem selbst. Wenn man selbst anfängt und guckt, wo bin ich noch stolz oder hart oder aggressiv oder militant in a bad way, und versucht, da menschlicher, echter und wahrhaftiger zu werden, dann ist das schon viel. Das strahlt auf deine Familie, deinen Freundeskreis, deinen Arbeitskreis, die Leute, die du in der Straßenbahn morgens siehst, aus. Wenn eine Oma über die Straße muss, dann hilfst du ihr rüber – that’s changing the world. Man sagt, der Teufel steckt im Detail, ich würde sagen, die Welt zu verändern, steckt im Detail.  Manchmal braucht es Zeit, aber manchmal braucht es auch Mut, um auf andere zuzugehen und nicht zu sagen, ich beharre auf meiner Position. Seek first to understand and then to be understood – dieses Prinzip mag ich. Das ist keine einfache Aufgabe, sie kann aber sehr viel Frieden bewirken, für dich selbst, für deine Beziehung und wenn es dazu kommt, dass man sagt „We agree to disagree“ – dann wenigstens das.

Mehr Informationen zum Projekt findet ihr auf der Website der PeaceBell und direkt bei der Social City Wien!

Fotocredits: Social City Wien

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