Portrait: Bianca Burger und Johanna Marquardt

Let’s talk about sex, baby. Wir waren im Wiener Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch. Weltweit das einzige seiner Art. Überrascht? Das waren wir auch, denn Sexualität gehört nun mal dazu. Trotzdem ist es noch immer häufig ein Tabu, offen und ehrlich darüber zu sprechen. Kein Problem, darüber zu reden, haben Bianca Burger und Johanna Marquardt. Sie haben social attitude zwei Stunden lang einen Blick hinter die Türen des MUVS erlaubt.

Wie ein Museum zu einem sozialen Magazin passt? Zu 100%, denn das Ziel des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch ist es, durch die Verbindung von historischen Erzählungen, aktuellem Wissen und Fakten über Verhütung und auch Schwangerschaftsabbruch das notwendige Bewusstsein für den selbstbestimmten Umgang mit der eigenen Sexualität zu fördern. „Verhütung ist ein gesellschaftliches Thema. Heterosexuell aktive Menschen kommen früher oder später in die Situation, sich vor ungewollter Schwangerschaft schützen zu wollen . Mit unseren Workshops leisten wir einen gesellschaftlichen Beitrag, in dem wir Menschen über die erhältlichen Methoden und vor allem deren Wirksamkeit informieren“, fasst Bianca Burger das Ziel des Museums zusammen.

Selbstbestimmung durch fundiertes Wissen

Wissen ist Macht. Auch beim Thema Sex und Verhütung. Wer bei dem Wort Museum an verstaubende Ausstellungsstücke denkt, der liegt weit daneben. Denn eines merkt man schnell: Hier wird offen und mit viel Freude und Witz an das Thema herangegangen – das ist besonders wichtig, da viele Schulklassen ihren Weg ins Museum finden. „Selbst entscheiden zu können, ob, wann, mit wem und wie viele Kinder jemand einmal haben möchte, ist einer der essentiellsten Bestandteile der Selbstbestimmung und ein Menschenrecht. In unseren Workshops werden die Jugendlichen ermächtigt, selbstbestimmt und verantwortungsbewusst mit ihrer Fruchtbarkeit umzugehen. Dadurch werden ihre Gesundheitskompetenzen gestärkt und sie können ihr Leben nach ihren eigenen Wünschen gestalten“, klärt Johanna Marquardt über die Wichtigkeit der Arbeit auf.

Safety first

Die erste Scham der Schüler und Schülerinnen ist schnell abgelegt. Dann werden Fragen gestellt, was das Zeug hält. Manche lachen, manche diskutieren und manche hören einfach nur zu – aber eines haben sie gemeinsam, verraten uns die beiden Frauen. Sie sind alle neugierig, freuen sich über die offene Art mit der hier über das Thema gesprochen wird und begutachten ganz genau das Anschauungsmaterial. Denn ob Plüschgebärmutter, Plüschvulva oder kleine Modelle von Jungfernhäutchen – hier wird anschaulich mit Mythen aufgeräumt und Fakten vermittelt. Zum Beispiel, dass von 100 Mädchen beim ersten Mal durchschnittlich nur fünf bluten. Gewusst? Wir geben zu, auch wir lernen noch etwas dazu.

Von Krokodilskot und Coca Cola

Besonders der historische Part der Ausstellung hält so manches Schmankerl parat und verdeutlicht: Seit die Menschen Sex haben, suchen sie Wege um zu verhüten, um eine ungewollte Schwangerschaft zu vermeiden. Und das auf kreative Art und Weise. Casanova zum Beispiel hat seinen Geliebten eine ausgehöhlte halbe Zitrone gegeben, die sich diese dann über den Muttermund gestülpt haben. Oder sie haben es zumindest versucht. Auch Coca Cola wurde tatsächlich zur Scheidenspülung benutzt, im Glauben daran, damit eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern. Eines der absurdesten Verhütungsmittel der Geschichte ist wohl getrockneter Krokodilskot. Klingt verrückt? Vielleicht! Aber es drückt vor allem eines aus – auch in vergangenen Zeiten wollten Frauen Sex haben, ohne ein Kind zu bekommen. Mit den aus heutiger Sicht oft lustig klingenden Geschichten will das Museum aber ganz konkret auf eines hinweisen: Die Verzweiflung und das Bestreben nach einem sicheren Verhütungsmittel waren schon immer groß.

Aber warum ein Museum zum Thema Verhütung, wir sind doch eh alle so aufgeklärt? Sind wir nicht, wie Museumsgründer Christian Fiala weiß. Er betreibt das Gynmed-Ambulatorium gleich neben dem Museum und klärt auf: „Seit der Jahrhundertwende erleben wir zwei unerwartete Paradigmenwechsel in der Sexualaufklärung: den unbeschränkten Zugang zu Information über das Internet und das verlorengegangene Bewusstsein für die hohe eigene Fruchtbarkeit. Dies hat dazu geführt, dass die vielen wirksamen Verhütungsmethoden häufig nicht angewendet werden.“ Konkret bedeutet das, es gibt genug Verhütungsmethoden, aber viele Frauen wollten sie nicht anwenden. Eine mögliche Folge von Sex ohne Verhütung ist eine ungewollte Schwangerschaft.

 

Schwangerschaftsabbruch – Aufklärung zu einem sensiblen Thema

Deswegen widmet das Museum auch einen ganzen Raum dem Thema Schwangerschaftsabbruch. Abtreibung ist ein heikles Thema, bei dem die Meinungen oft geteilt sind. Im zweiten Teil des Museums erfährt der Besucher alles, was es über die Geschichte der Abtreibung und aktuellen Debatten zum Thema zu wissen gibt. „Gerade der Schwangerschaftsabbruch ist ein Thema mit hoher gesellschaftspolitischer Brisanz. Durch das Aufzeigen, was es für Frauen früher bedeutet hat, ungewollt schwanger zu sein und keinen Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch zu haben, wollen wir ein Bewusstsein schaffen, wie wichtig der sichere Zugang ist. Wenn der Schwangerschaftsabbruch verboten ist, bedeutet das nicht, dass es weniger Schwangerschaftsabbrüche gibt, sondern, dass die Frauen gezwungen sind, auf unsichere – tödliche – Methoden zurückzugreifen“, klärt Bianca Burger auf.

Historisch soziologisches Powerduo

So harmonisch die beiden Frauen bei der Führung wirken, aus so unterschiedlichen Ecken kommen sie beruflich. Johanna ist diplomierte Soziologin und Familienplanungsberaterin und Bianca hat sich in ihrem Geschichtestudium auf Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie historisch-kulturwissenschaftliche Europaforschung spezialisiert. Der Wille, gesellschaftspolitisches Umdenken zu bewirken, eint sie und dafür setzen sie sich jeden Tag auf’s Neue ein. Mit viel Engagement und Humor.

 

Mehr Informationen stehen auf der Homepage des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch parat.

 

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