Portrait: Karin Marek-Szedenik

Wer bei dem Wort Tageszentrum an eine trostlose Einrichtung für ältere Menschen denkt, wird im Tageszentrum Leopoldstadt eines Besseren belehrt. Kurz nachdem die obligatorische Warnanlage der Türe erklingt, befindet man sich in einem Raum voller Lebendigkeit. Fünf Augenpaare zeigen Neugierde, vier weitere bieten Hilfe an und unzählige Türen schlucken und spucken Vorbeilaufende aus. Noch ehe man zur Gänze im bunten Treiben angekommen ist, wird man schon herzlich von Leiterin Karin Marek-Szedenik begrüßt.

„Wir waren gestern mit 20 Leuten auf der Wiener Wiesn, da haben die Herrschaften das Zelt gerockt“, erzählt sie, während wir zwischen den gelben Wänden der Einrichtung sitzen, und man glaubt ihr sofort. Das Tageszentrum ist nämlich kein tristes Pflegeheim, sondern eben ein sozialer Treffpunkt für Menschen vielseitiger Hintergründe. Hier geht es für einige Stunden am Tag darum, die Lebensenergie jeder einzelnen Person zu mobilisieren, die alleine so leicht verloren geht. „Das ist das, was das Tageszentrum ausmacht: in der Gemeinschaft etwas zu erleben. Im besten Fall bilden sich hier Freundschaften“, erzählt Karin Marek-Szedenik und führt weiter aus: „Aber auch schon Liebespaare haben sich hier gefunden“. Die Menschen, die hier ein und aus gehen, sind Seniorinnen und Senioren oder Personen mit Schlaganfalls- und Hirnblutungserfahrungen. Will man sich einen persönlicheren Eindruck der Gäste verschaffen, muss man nur die Wände des 600m2 großen Areals betrachten: dort hängen großflächig ausgedruckte, perfekt ausgelichtete Portraits der Besucherinnen und Besucher, die mit unterschiedlichen Gesichtern und Grimassen Individualität unterstreichen. Daneben erinnern Kunstwerke an kreative Stunden und gemeinsam gefeierte Festlichkeiten. Doch auch für Rückzug ist gesorgt – wer eine Pause braucht, kann es sich im Ruheraum gemütlich machen. Wem eher nach einer heißen Dusche ist, dem steht das barrierefreie Badezimmer frei. Während Karin Marek-Szedenik erzählt, unterbricht sie immer wieder, wechselt Worte mit Besucherinnen und Besuchern, schüttelt Hände oder tauscht Späße aus.

An erster Stelle die Selbstbestimmung

Wichtig ist für die Leiterin des Tageszentrums vor allem Selbstbestimmung: Die Besuchszeiten werden individuell gewählt und auch die erwünschten Programmpunkte suchen sich die Gäste selbst aus. Sondertermine, wie etwa zur Pediküre, können ganz im Sinne der Selbstbestimmung eigenständig vereinbart werden. Das angebotene Wochenprogramm orientiert sich an therapeutischen Bedürfnissen und artikulierten Wünschen der Anwesenden – denn Individualität ist der zweite große Punkt, der hier im Tageszentrum im Fokus steht. Aufmerksames Zuhören und Verstehen erlauben oftmals Einblicke in Hintergründe von Menschen, die man vielleicht nicht erahnt hätte und die Bedürfnisse offenbaren, die nur auf diese Weise berücksichtigt werden können. Manchmal kommen auch heikle Geschichten an die Oberfläche, mit denen umzugehen gelernt sein muss. Dafür ist Supervision da, wie Karin Marek-Szedenik im Gespräch erläutert. So bereichernd die Arbeit mit Menschen ist, so aufwühlend kann sie auch sein. Das wissen auch die pflegenden Angehörigen der betreuten Personen, deren Entlastung ein weiteres Anliegen für Karin Marek-Szedenik ist – organisatorisch, psychisch, im Alltag oder in außerordentlichen Unterstützungsgesprächen. Geholfen wird, wo es gewünscht ist. Das vielfältige Fachpersonal kennt die Bedürfnisse der Angehörigen und steht mit Rat und Tat zur Seite. Häufig ist schnell geholfen, weiß Karin Marek-Szedenik: „Oft sind es nur Entlastungsgespräche, wo Angehörige sich nur ein Mal setzen, sich alles von der Seele reden wollen und dann ist es auch wieder gut.“

Mit wenig ganz viel verändern

Karin Marek-Szedeniks Arbeitsalltag ist alles andere als grau. Die Frage nach ihrem Tagesablauf beantwortet sie mit einem Lachen und auch die nahestehende Mitarbeiterin stimmt mit ein: „Sicher ist nur das Kommen und das Gehen“. Zwischen Kommen und Gehen findet sich Karin Marek-Szedenik irgendwo zwischen Management und Mitarbeiteranliegen, individuellen Gesprächen oder pflegenden und leitenden Tätigkeiten wieder. Klar ist, dass Sensibilität und Wertschätzung ungemein wichtig sind – in Karin Marek-Szedeniks Tätigkeit und darüber hinaus, wie sie betont: „Man kann mit ganz wenig ganz viel verändern. Sich einfach neben eine unserer Besucherinnen und Besucher zu setzen, zuzuhören und ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern – das hat was. Das ist eine Emotion, die einem selbst dann ganz viel Kraft gibt.“ Dabei ist ihr Alter der Menschen aber eigentlich auch vollkommen gleichgültig: „Wenn ich mir die Zeit nehme, mich interessiere für einen Menschen, für seine Bedürfnisse, für die Unterstützung, die er braucht, und ihm wertschätzend gegenüberstehe, dann unterscheidet sich darin gar nichts zwischen älteren und jüngeren Menschen. Es geht einfach darum Menschen wertschätzend gegenüberzutreten. Das gilt genauso für junge erwachsene Menschen und für Kinder wie für ältere Menschen. Leider endet diese Einstellung oft an der Türschwelle des Tageszentrums: „Die Wertschätzung verliert immer mehr an Stellenwert“, betont Karin Marek-Szedenik. „Keiner schaut mehr über seinen Tellerrand oder wie er mit Menschen umgeht, die nicht in die gesellschaftlich vorgestellte Norm passen. Ein bisschen Sensibilität und Wertschätzung im Umgang mit diesen Menschen – das ist es, was ich mir für die Gesellschaft wünschen würde.“

 Einmal Diversität bitte!

Dass die soziale Ader der Gesellschaft nicht ganz verloren ist, zeigt die Freiwilligenarbeit, von der das Wiener Hilfswerk profitiert, wie die Expertin versichert. Genauso bunt und vielfältig wie die Besucherinnen und Besucher in den Tageszentren des Hilfswerks sind, genau strotzt das Team der Freiwilligen nur so an Diversität. Platz für mehr besteht immer: „Jeder Mensch, der kommt und freiwillig unterstützen möchte, ist gern gesehen und wird seinen individuellen Bereich im Wiener Hilfswerk finden“, da ist sich Karin Marek-Szedenik sicher.

Mehr Infos über die Arbeit vom Wiener Hilfswerk findet ihr auf der Website!

Leave a Comment

    Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

    Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

    Schließen