Portrait: Patrick Onyemaechi Kainz

Black Movement Austria hat ein Ziel: das Leben von Schwarzen Menschen in Österreich zu verbessern. Patrick Onyemaechi Kainz, Pressesprecher beim Kollektiv Black Movement Austria, erzählt, warum Black Lives Matter mehr als nur ein Hashtag ist und wie weiße Menschen anti-rassistische Arbeit vorantreiben können.

Patrick Onyemaechi Kainz hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Schon als Kind ließ er sich manchmal absichtlich beim Ballspielen abschießen, damit seine Mitschüler:innen wieder mitspielen konnten: „Mir war es wichtig, dass alle Kinder teilnehmen konnten. Es ging mir immer um die Gerechtigkeit.“ Das hat sich seitdem nicht geändert. Heute hat der in Österreich und im Bundesstaat New York zugelassene Rechtsanwalt seine eigene Kanzlei in Wien. Daneben ist er seit dem Sommer 2020 Pressesprecher von Black Movement Austria. Das Kollektiv besteht aus Schwarzen Aktivist:innen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das Leben von Schwarzen Menschen in Österreich zu verbessern. „Unsere Gründung war eine Reaktion auf den schrecklichen Mord an George Floyd in den USA“, erzählt Kainz. „Wir sehen uns als eine Antwort auf jene Menschen, die meinen, dass das, was in den USA passiert, zwar schrecklich ist, aber hier nicht geschehen könnte. Wir wollen mit unserer Arbeit zeigen, dass Racial Profiling und Polizeigewalt gegen Schwarze Menschen auch in Österreich eine Realität ist.“

„Ich habe schon zu viele Dinge gesehen, wo ich mir gedacht habe, dass es nicht möglich sein kann, dass sie im 21. Jahrhundert noch so passieren.“

Es ist eine Realität, die Patrick Onyemaechi Kainz nur allzu gut kennt. Schwarze Menschen sind laufend mit dem strukturellen Rassismus in Österreich konfrontiert. „Ich habe schon zu viele Dinge gesehen, wo ich mir gedacht habe, dass es nicht möglich sein kann, dass sie im 21. Jahrhundert noch so passieren“, erzählt er nüchtern und führt weiter aus, „als Schwarze Person wird man in der Regel mehr als Migrant:in gesehen als andere Personen mit Migrationsgeschichte. Uns wird oft unterstellt, dass wir etwas Kriminelles im Schilde führen – vor allem, wenn wir uns an gewissen öffentlichen Orten in Österreich aufhalten.“ Das führt laut Patrick Onyemaechi Kainz auch dazu, dass Afro-Österreicher:innen eher bei alltäglichen Handlungen von Polizist:innen kontrolliert werden als weiße Österreicher:innen. Wenn weiße Polizist:innen Schwarze Personen und dunkelhäutige POC (People of Colour) alleine aufgrund ihrer Ethnie oder Hautfarbe kontrollieren oder beamtshandeln, wird das als rassistisches oder ethnisches Profiling bezeichnet.

„Wir kennen Fälle, wo bei Amtshandlungen Menschen zu Tode gekommen sind“, berichtet Kainz. Der bekannteste Fall in Österreich ist der Tod von Marcus Omofuma. Der nigerianische Staatsbürger stellte einen Asylantrag in Österreich und starb bei seiner Abschiebung 1999 nach der brutalen Behandlung durch mehrere Polizist:innen.  „Den Polizisten ist da nichts Gravierendes passiert. Ohne natürlich selbst in den Fall involviert gewesen zu sein, frage ich mich, ob sie tatsächlich den Umständen entsprechend bestraft wurden“, berichtet Kainz. Die milden Urteile, die in den Gerichtsprozessen verhängt wurden, wurden von vielen Beobachter:innen demgemäß auch kritisiert. „Bisher lief es so: Wenn jemand der Polizei vorwirft, sich falsch verhalten zu haben, zum Beispiel, weil sie jemanden alleine aufgrund seiner:ihrer Ethnie oder dem Aussehen kontrolliert hat, konnte man sich an eine Beschwerdestelle wenden“, erklärt Patrick Onyemaechi Kainz. Da diese jedoch im Innenministerium angesiedelt ist, sind es Polizist:innen, die das Fehlverhalten ihrer Kolleg:innen überprüfen. Dass dies dazu beitragen kann, dass es nur in den seltensten Fällen zu einer Disziplinierung der in Polizeigewalt involvierten Beamt:innen kommt, ist die Meinung einiger Expert:innen. Aus diesem Grund gehört die Errichtung einer unabhängigen und unparteiischen Kontrollbehörde für die Polizei zu einer der zentralen Forderungen von Black Movement Austria. Diesen haben sie in zwei Briefen, die sie an das Justiz- und Innenministerium geschickt haben, sowie einer groß angelegten Black Lives Matter Demonstration Nachdruck verliehen.

Copyright: Jolly Schwarz – https://www.facebook.com/JollySchwarzPhotography

Es war die dritte Wiener Black Lives Matter Demonstration im Sommer 2020. Doch während Polizeigewalt und Anti-Schwarzer Rassismus die Wochen nach dem Tod von George Floyd dominiert haben, scheint nur wenige Monate später kaum noch jemand darüber zu sprechen. „Leider muss man sagen, dass der Hashtag Black Lives Matter für viele Menschen offenbar ein Trend gewesen ist“, kritisiert Patrick Onyemaechi Kainz. „Wenn Menschen ihr Profil auf Instagram verdunkeln, ist das eine gute Geste, aber es muss mehr getan werden. Es genügt auch nicht, einmal etwas Aktivistisches zu machen oder etwas Geld zu spenden und dann nicht mehr darüber reden zu wollen. Wenn man die Arbeit nicht ständig macht, wird es auch keine Ergebnisse geben.“ Enttäuscht zeigt sich Kainz auch darüber, dass Black Lives Matter im Wiener Wahlkampf 2020 kaum noch eine Rolle gespielt hat. Auf seiner Instagramseite veranstaltete Black Movement Austria in jener Zeit deswegen eine Vortragsreihe, in der sie mit Schwarzen Politiker:innen über die Anliegen und Probleme von Afro-Österreicher:innen gesprochen haben. „Unser Ziel ist es, dass die Themen in Österreich weiter auf der Tagesordnung stehen. Uns ist bewusst, dass wir in einer weißen Mehrheitsgesellschaft leben und dass es deswegen notwendig ist, dass auch die weiße Mehrheitsgesellschaft Schritte setzt“, so Patrick Onyemaechi Kainz.

„Jede Person, die ein Ally für Schwarze Menschen sein möchte, muss sich mit dem eigenen Stellenwert in diesem System auseinandersetzen“

Das fängt laut Kainz damit an anzuerkennen, dass wir in einem System von weißer Vorherrschaft, also White Supremacy, leben. Hierbei handelt es sich um ein Wertungs- und Entwertungssystem, in dem weiß sein immer besser als Schwarz sein ist. Danach gibt es Abstufungen und je weiter entfernt man in dieser Abstufung vom Weißsein ist, desto negativer sind die gesellschaftlichen Konsequenzen. „Das zieht sich durch jeden Gesellschaftsbereich, mag es nun z.B. Politik, Arbeit oder das Gesundheitssystem sein. Jede Person, die ein Ally für Schwarze Menschen sein möchte, muss sich mit dem eigenen Stellenwert in diesem System auseinandersetzen“, bekräftigt Patrick Onyemaechi Kainz. „Es gibt mittlerweile viele Ressourcen, die man lesen kann, um sich auf diesem Gebiet weiterzubilden.“ Jede:r kann in seinem:ihrem Alltag anti-rassistische Arbeit vorantreiben. Für ihn ist es wichtig, das zu betonen: „Oft unterschätzt man sich in dem, was man leisten kann. Man muss nicht Jus, Sozialarbeit oder Medizin studiert haben, um anderen Menschen zu helfen. Jede:r kann etwas beitragen.“

Wenn Patrick Onyemaechi Kainz einmal abschalten und seinen Kopf frei kriegen möchte, hört er viel Musik. Denn wie alle Aktivist:innen bei Black Movement Austria engagiert auch er sich ehrenamtlich neben seinem Hauptberuf beim Kollektiv. Und seitdem er in dem Kollektiv als Pressesprecher in Erscheinung getreten ist, hat sich die Anzahl der Anfragen an ihn im Zusammenhang mit den Erfahrungen Schwarzer Menschen in Österreich erhöht. „Jetzt schreiben mir Leute auch privat, erzählen mir von ihren eigenen Erfahrungen mit Polizeigewalt und Racial Profiling und fragen mich um Rat“, schildert er. Manchmal mag es viel sein, doch für den Moment ist Patrick Onyemaechi Kainz so sehr von dem Bedürfnis, etwas tun zu müssen, angetrieben, dass er den Arbeitsaufwand bewältigen kann. „Ich möchte einfach, dass sich die nächste Generation, seien es meine Kinder oder die von anderen, mit solchen Dingen nicht mehr rumschlagen muss. Ich sehe, dass es momentan viel für mich zu tun gibt.“

Mehr Informationen gibts auf der Facebook-Seite. 

Fotocredits: Jolly Schwarz

Leave a Comment

    Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

    Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

    Schließen